Gabriele Lindig

Ein Jahr ist vergangen. Der 30. August 2020, ein Sonntag, war ein wolkenverhangener, verregneter Tag wie der heutige: Am Nachmittag hatte ich sie noch in Bad Berka besucht. Alles war friedlich und meine Hoffnung ungebrochen, dass sie aufwachen wird.
Um 22:30 Uhr schlug der Regen ungewöhnlich kräftig gegen die Scheiben. Eine Ahnung stieg in mir auf, dass das ein Zeichen sein könnte. Plötzlich ließ der Regen etwas nach. Im selben Augenblick erhielt ich die Nachricht, dass sich meine Hoffnung nicht erfüllt hat.

Es bleibt nur die Erinnerung und die Trauer, die nie vergehen wird.

Heute vor einem Jahr erhielt ich den Anruf, dass sie einen Herzstillstand erlitten hat und in der Klinik wäre. Zwei Stunden vorher hatten wir uns beide, nach einem Treffen, bei bester Gesundheit verabschiedet.
Im Anschluss unseres Treffens fand das jährliche Bratwurstfest statt. Ich durfte aufgrund der Pandemie-Bestimmungen nicht wie sonst bleiben.
Mir wurde später berichtet, dass sie sich an einem Stück Bratwurst oder Brötchen verschluckt hat. Das medizinische Personal hatte dies nicht bemerkt und die Situation falsch eingeschätzt.
Es wäre ein Leichtes gewesen das Richtige zu tun - so wie es bei Kindern geschieht, die sich mal eben verschluckt haben.
"Das Richtige zur richtigen Zeit tun" ist im Nachhinein sehr leicht gesagt. Im alles entscheidenden Moment ist das Richtige eben nicht fassbar.
Nachdem ich heute vor einem Jahr die Nachricht von diesem Ereignis erhielt, war ich dennoch voller Hoffnung, denn sie war am Leben. Sie musste nur am nächsten Tag einfach wieder aufwachen - so wurde es mir an diesem Abend vor einem Jahr gesagt.
In ihrem Leben hatte sie so manches Unglück und tragische Ereignisse überstanden.

Ich möchte ihr zurufen: "Wach auf. Es passt nicht zu Dir, tot zu sein."

Möge ihr Andenken uns für immer ein Segen sein.

Schon zu Lebzeiten ein Engel!